08.10.2020 Evgenia Muravyeva
Die heutigen Touristen sind nicht nur Komfort suchende Reisende, sondern auch diejenigen, die eine Herausforderung in Kauf nehmen können. Die Tendenz, das bekannte Terrain von Zivilisation zu verlassen, um ein authentisches Erlebnis zu finden, wird unter Reisenden immer stärker. Ganz oft geht es dabei um die Ziele wie Lateinamerika, Asien oder Afrika.
Doch auch in Europa gibt es Backpacker-Schätze. So einer befindet sich in Italien. Abseits von bekannten Kulturstädten wie Venedig, Rom und Florenz und beliebten Inseln und Stränden gibt es ein
alternatives, rustikales Italien, das deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient.
Es geht um die Abruzzen, eine Region, die für hohe Berge, wilde Tiere und seltsame alte Bräuche Heimat ist. Eine Region der Kontrasten, die Abenteuersuchende auf eine Entdeckungsreise einlädt.
Die raue Landschaft hat dafür gesorgt, dass die Region von Menscheneingriffen noch gut verschont geblieben ist. Ein Drittel der Region steht unter Naturschutz und damit hat sie den größten Anteil
von Naturschutzgebieten in ganz Italien.
Der Nationalpark Gran Sasso und Monti della Laga streckt sich mit 2000 km (gleicht 150 000 Ha) über ganze drei Regionen, jedoch befindet sich sein größter Teil in den Abruzzen. Erreichen kann man den Nationalpark aus drei Provinzen: Teramo, L'Aquila und Pescara. Beim Besuch des Parkes kann man die Zeit sehr vielseitig gestalten. Zum einen, ist der Park von Bergsteigern sehr beliebt. Hier befindet sich der höchste Gipfel der Apenninen Corno Grande, der zum Gebirgszug Gran Sasso gehört.
Wer eine fast 3.000 m hohe Bergspitze zu anspruchsvoll findet, kann eine mittelschwere Strecke auf Majella Monte (Bild) ausprobieren. Eine 8km lange Strecke verspricht unglaubliche Aussichten.
Und wenn ihr euch zu erfahren Bergsteigern zahlt, dann könnt ihr einen Aufstieg auf Monte Camicia (Bild) wagen, der 2 km länger ist. Außer Bergaufstieg oder einfachen Spaziergang
kann man auch eine Reittour machen, der Park ist mit mehreren Pferpfädern ausgestattet.
Zu Highlights des Parks gehören auch Calderone, der einzige Gletscher in den ganzen Apenninen, und Lago di Campotosto, der zu den größten künstlichen Seen Europas zählt und auf seinen Küsten
jedes Jahr Tausende Zugvögel versammelt .
Der Nationalpark ist zu jeder Saison zu besichtigen. Im Sommer kann man neben Wölfen, Rentieren und Adlern den Symbol des Parks sehen – die Alpengämse. Immer wieder trifft man auch auf
verschiedene Schlangenarten.
Und hier, in L’Aquila Provinz, ist einer der seltsamsten und seltensten Berufe der Welt erhalten geblieben - Schlangenfänger! Die Geheimnisse des gefährlichen Jobs kann man am besten bei dem Schlangenfest rausfinden, das jedes Jahr Tausende Schaulustige aus ganz Italien und sogar außerhalb willkommen heißt. Die winzige Gemeinde (200 Einwohner) Cocullo wird zu den Festzeiten von Neugierigen überflutet.
Kein Wunder: die Sicht von einer Prozession, bei der Schlangen auf eine Heiligenstatue geworfen werden, ist auf jeden Fall abseits des Gewohnten.
Der heilige Dominikus von Sora wurde für seine heilende Kräfte sowie Abwehr von wilden Tieren, hauptsächlich Schlangen, bekannt.
Also ist das Fest mit dem Ziel, ihn zu ehren, entstanden.
Im Unterschied zu der L’Alquila Provinz, die von herausfordernden Landschaften geprägt ist, eignet sich Pescara mit ihrem ebenen Terrain und langen Stränden für einen entspannten Urlaub.
Bereits im 19. Jahrhundert ein Ziel für Badetourismus, prahlt die Region Abruzzen mit 133 km langen Küsten, die sich über 3 Provinzen, Pescara, Chieti und Teramo erstrecken.
Wer nicht bei der Sommerhitze am Strand schmelzen will, kann eine richtige Oase direkt bei der Einfahrt in die Pescara Provinz, in der Scafa Kommune, finden.
Im Lavino Park (40 Ha) kann man die Quellen in einer außergewöhnlichen blau-turquoise Farbe bewundern. Diese Farbe hat das Wasser einer besonderen Art von Algen und der Präsenz von Sulfiten zu
verdanken.
Wer bei Abruzzen-Besichtigung eine Sehnsucht nach dem “typischen” (von Kunst und Kultur geprägten) Italien hat, wird in der Universitätsstadt Chieti, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz,
fündig. Sie besteht hauptsächlich aus Chieti Alta, dem alten gut erhaltenen Stadtteil.
Ein Dom aus dem 13. Jahrhundert ist das Wahrzeichen der Stadt. Die alte Stadt Chieti ist was Bevölkerung angeht sehr jung. Aus den 50 Tausend Einwohner sind die ganzen 30 Tausend - Studierende
der Universität Chieti-Pescara, die nach dem kontroversen Poeten der Region Gabriele d’Annunzio benannt ist. Der Liebhaber von Wagner und Nietzsche, gilt d’Annunzio als Ideengeber für den
italienischen Faschismus, wobei er nie eine offizielle Verbindung zu den Faschisten prägte.
Was für Weinliebhaber! Bekannt ist die Provinz Chieti auch wegen Weinbau. Hier sah man die Wiederbelebung von der Weinbautradition in der Region.
Wobei der Begriff “Tradition” hier vielleicht nicht angebracht ist, denn die älteren Traditionen wurden für Profit und Massenproduktion geopfert. Die Weinbaulandschaft wurde von großen Genossenschaften definiert, die auf Quantität und nicht auf Qualität setzen. Eher selten findet man Weine aus den Abruzzen auf den Webseiten von Weinhändlern. Selbst die Italiener halten nicht viel von den Abruzzen in Sachen Wein. Dabei ist die Region für die Weinherstellung gerade perfekt. Ausgestreckt zwischen Meer und Bergen liegen die Weinberge manchmal auf bis zu 600 m Höhe. Der Sommer ist trocken und mild. Es kommt genug Feuchtigkeit von der Adriaküste, so dass keine Irrigation nötig ist.
Außerdem können die Abruzzen an eine sehr lange Weinbautradition zurückblicken, die mit ihren Wurzeln in die Antike zurückgeht. Der Legende nach hat Hannibal die Kräfte seiner Soldaten bei der
Alpenüberquerung (in der Zeit des Zweiten Punischen Krieges) mit dem Wein aus Teramo wieder aufgebaut.
Und gerade in Teramo entsteht eine neue Generation von Winzern, die sich an die antike Tradition anlehnen und dabei keine Angst haben, neue Bahnen einzuschlagen. Sie folgen in die Spuren der
alten Weinbautraditionen, in dem sie auf moderne, für die Weinindustrie standard gewordene, Manipulationsmittel wie Reinzuchthefe, künstliche Pflanzenschutzmittel und Dünger verzichten.
Einer von solchen Winzern ist Piero Pavone. Mit seinem Projekt Vinum Hadrianum will Piero nicht nur die Natur ehren, sondern auch die antike Geschichte seiner kleinen Stadt Atri.
Hier auf 400m hohen Hügeln wurde vor 2000 Jahren ein antiker Wein geboren, der im ganzen römischen Reich bekannt und beliebt war – Vinum Hadrianum. Nach der Weinlegende hat Piero seine klein
angelegte Weinproduktion Vinum Hadrianum getauft.
Aber es bleibt nicht nur bei dem Namen.
Um den Wegen der Römer beim Weinbau näher zu kommen, lässt Vinum Hadrianum eigene Tonamphoren von lokalen Handwerkern für das Projekt anfertigen. Zur Abkühlung in die Erde begraben, lassen die
riesigen Tongefäßer die natürliche Oxidation ihren Lauf nehmen, und so entsteht dabei ein ungezähmter Wein mit Charakter, der den Spirit seines Terroirs am besten ausdrückt.
Noch mehr zu dem außergewöhnlichen Wein für Freidenker können Sie über nachstehende Tipps & Links zu Naturwein in Amphoren und zum Vinum Hadrianum erfahren.
Tipp
Weitere Informationen zu Naturwein auf der Firmenseite
Die Abruzzen laden einen auf eine Entdeckungsreise in das rustikale Italien, das nur wenige kennen.
Statt Toskanas klassische Weine bekommt man hier was Außergewöhnliches, das nicht für jeden Geschmack passt: Naturweine der Region überraschen und sogar verblüffen, aber drücken perfekt den
ländlichen Spirit aus.
Eine Region von Kontrasten, wo sich Naturschätze auf Geschichtsperlen treffen. Für jemand, der sich etwas Ruhe vom hektischen Großstadtleben gönnen möchte und die unberührte Natur höher als eine
ausgebaute Infrastruktur schätzt, eignen sich die Abruzzen gerade perfekt.